Der Wirkstoff Minoxidil ist in Deutschland seit Frühjahr 2004 als 2%ige Lösung zur Behandlung des anlagebedingten Haarausfalls (androgenetische Alopezie, abgekürzt AGA) der Frau zugelassen und seit Juli 2005 auch ohne Rezept frei in den Apotheken erhältlich.
Um den Wirkmechanismus vom Minoxidil-Lösung auf das Haarwachstum zu verstehen, ist zuächst ein Blick auf den mikroskopischen Aufbau des Haares hilfreich. Am unteren Ende des Haarfollikels umschließt der kolbenförmige Haarbulbus die dermale Papille. Die dermale Papille ist die aus Bindegewebe, feinsten Blutgefäßen und Nervenfasern aufgebaute Zone, die von unten zapfenartig in den untersten Anteil des Haares hineinragt. Sie ist die Steuerungs- und Versorgungszentrale des Haarfollikels. Die Durchblutung in den Gefäßen dieser Region ist für das Haarwachstum entscheidend. Oberhalb der dermalen Papille werden im Haarbulbus kontinuierlich neue Zellen produziert. Die entstandenen Haarzellen werden zur Hautoberfläche hinausgeschoben und verlassen als sichtbares Haar die Haut. Bei der androgenetischen Alopezie (AGA, anlagebedingter Haarausfall) kommt es im Laufe der Jahre zu einer Verkleinerung des Haarbulbus und der dermalen Papille. Die Folgen davon sind eine niedrigere Nährstoffversorgung und eine geringere Zellteilungsrate. Durch die Unterversorgung bilden sich nach und nach nur noch dünne, kaum sichtbare Haare (Miniaturisierung). Es kommt somit zu forschreitendem Haarverlust.
Der auf die Kopfhaut aufgetragene Wirkstoff Minoxidil wird über das Enzym Sulfotransferase zu dem aktiven Wirkstoff Minoxidilsulfat umgewandelt. Dieser Wirkstoff erweitert die feinen Blutgefäße rund um den Haarbulbus. In der dermalen Papille kommt es zu einer vermehrten Bildung des Botenstoffes VEGF (vasculärer endothelialer Wachstumsfaktor). Zusätzlich werden Kalium-abhängige ATP-Kanäle geöffnet. Die Folgen dieser Wirkungen sind eine verbesserte Durchblutung der dermalen Papille und des Gefäßnetzes um den Haarbulbus und damit eine erhöhte Nährstoffzufuhr und -Versorgung. Dem weiteren Schrumpfen des Haarfollikes wird so entgegengewirkt. Darüber hinaus bewirkt Minoxidilsulfat eine Stimulation der DNA-Synthese in den Haarfollikelzellen. So steigt die Zellteilungsrate kontinuierlich an. Der Haarfollikel und die dermale Papille vergrößern sich und bringen wieder ein dickeres Haar hervor.
Wissenschaftler vermuten, dass an der haarwachstumsfördernden Wirkung von Minoxidil noch weitere Faktoren beteiligt sind. Auch sind die Effekte der beschriebenen Vorgänge am Haarfollikel noch nicht letztendlich geklärt. Der Wirkmechanimus von Minoxidil wird daher auch weiterhin Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen sein.
Die Lösung wird mit drei verschiedenen Applikatoren geliefert und wird 2x täglich (je 1 ml) auf die betroffenen Kopfhautareale bis etwas in den noch gesunden Randbereich hinein aufgetragen.
Bei der Anwendung von Minoxidil-Lösung berichten einige Anwenderinnen gelegentlich über die Beobachtung, dass mit den vorgegebenen 1 ml nicht das gesamte zu behandelnde Kopfhautareal mit Flüssigkeit benetzt werden kann. Daher wurde im Expertenrat von Haarerkrankungen.de bereits des öfteren gefragt, ob statt der vorgegebenen Menge von 1 ml pro Anwendung auch größere Mengen verwendet werden könnten. Grundsätzlich ist bei der Behandlung mit Minoxidil-Lösung zu bedenken, dass bei Anwendung zu großer Mengen unerwünschte Effekte möglich sind. Darüber hinaus ist es nicht erforderlich, dass sich die Kopfhaut nass anfühlt. Die Lösung verteilt sich an der Kopfhaut so fein, dass man es zumeist nicht bemerkt und größere Flächen erreicht werden als vermutet. Prof. Wolff und Dr. Kunte von der dermatologischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität in München empfehlen in der Regel die Benutzung des Sprühaufsatzes mit dem Verlängerungsstück oder der Pipette. Hierzu sollten die Haare je nach individueller Haarstruktur bzw. Frisur an drei Stellen oder auch an sechs Stellen gescheitelt werden, z.B. links, in der Mitte und rechts am Oberkopf. Beim Sprühaufsatz mit Verlängerung sollte der Sprühkopf möglichst auf die Kopfhaut aufgelegt werden und dieser, während man langsam den Sprühknopf betätigt, entlang des Scheitels gezogen werden. Mit sechs Sprühstößen (je ein Sprühstoß pro Scheitel bei 6x scheiteln oder je zwei Sprühstöße pro Scheitel bei 3x scheiteln) sind dann genau 1 ml der Lösung verteilt, die sich dann zwischen den Haarschäften auf der Kopfhaut ausbreitet. Eine sanfte Massage mit den Fingern kann die Verteilung zusätzlich verbessern. Im Anschluss an die Anwendung sollten jedoch unbedingt die Hände gewaschen werden. 1 ml Minoxidil-Lösung ist auch für sehr ausgedehnte Flächen ausreichend!
Gelegentlich von Anwenderinnen geschilderte Hindernisse in der Nutzung von Minoxidil-Lösung sind ein Gefühl des Verklebens der Haare und die Vorgabe des Herstellers, bis 4 Stunden nach der Anwendung keine haarkosmetischen Maßnahmen oder Haarwäsche durchzuführen. Prof. Wolff empfiehlt in diesen Fällen, das Präparat nur 1 x pro Tag anzuwenden und dabei dann mehr als 1 ml zu nutzen (z.B. 2 ml). Darüber hinaus sei der Wirkstoff nach spätestens 1 Stunde eingezogen, so dass der Kopf dann gewaschen werden könne. Hierbei handelt es sich jedoch um keine generellen Empfehlungen, sondern um Möglichkeiten, im Einzelfall eventuelle Probleme zu umgehen. Grundsätzlich empfiehlt es sich, den Angaben des Herstellers (Anwendung von je 1ml morgens und abends, Haarewaschen erst nach 4 Stunden) zu folgen.
Unter äußerlicher Therapie mit Minoxidil-Lösung kann gelegentlich nach etwa 5-wöchiger Behandlung zunächst verstärkter Haarausfall auftreten. Die Ursache hierfür ist noch nicht abschließend geklärt. Vermutet wird ein Ausschieben locker sitzender Haare im Telogenstadium (Ausfallsstadium) durch die im selben Haarfollikel verstärkt nachwachsenden Anagenhaare (Wachstumshaare). Der Zeitraum bis zum Auftreten dieser "Shedding-Phase" genauso wie dessen Dauer und Ausprägung sind von Patientin zu Patientin unterschiedlich. Der Beginn der "Shedding-Phase" liegt im Allgemeinen zwischen der 2. und 6. Behandlungswoche, sie dauert zumeist nur wenige Wochen (2 bis 4). Die meisten Patientinnen berichten lediglich über einen verstärkt bemerkten Haarausfall, ohne dass sich das Haarkleid weiter lichtet. Insgesamt wird das "Shedding" als Zeichen guten Ansprechens auf die Therapie interpretiert. Die durch die Behandlung ausgeschobenen Haare werden verstärkt wieder nachwachsen.
Zum Thema "Phasen mit erhöhtem Haarwechsel während einer Therapie mit Minoxidil" finden Sie einen ausführlichen Beitrag in der Rubrik "Aktuelles".
Prof. Hans Wolff und Dr. Christian Kunte schrieben zu Minoxidil im Expertenrat bei Haarerkrankungen.de: "Insgesamt handelt es sich um das effektivste Mittel zur Behandlung der androgenetischen Alopezie der Frau. An Nebenwirkungen ist bei einer Therapie mit Minoxidil-Lösung gelegentlich mit einer Irritation der Kopfhaut zu rechnen, auch kann es zur Ausbildung einer Allergie gegen einen Inhaltsstoff der Minoxidil-Lösung kommen. Bei wenigen Frauen, vornehmlich bei dunkelhäutigen Südeuropäerinnen, kann eine verstärkte Gesichtsbehaarung vor allem an Stirn und Wangen auftreten. Sollte dies sehr störend sein, so kann das Minoxidil-haltige Haarwasser abgesetzt werden, die vermehrten Gesichtshaare fallen dann wieder aus. Unserer Meinung nach ist Minoxidil-Lösung das Mittel der Wahl bei der androgenetischen Alopezie der Frau. Wichtig ist, dass Minoxidil, wie jedes andere Haartherapeutikum auch, nur so lange wirkt, wie man es anwendet. Das primäre Ziel der Therapie ist immer ein Stopp des Fortschreitens der Haarlichtung. Kommt es zu einer Verdichtung der Haare, was durchaus bei vielen Patientinnen beobachtet wird, wurde das Therapieziel übertroffen."
Seit Ende 2016 ist Minoxidil zur Behandlung der androgenetischen Alopezie (AGA) auch für Frauen als Schaumformulierung rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Der Schaum wird 1x/Tag aufgetragen und ist als Alternative zur Minoxidil-Lösung gut für Frauen geeignet, die auf Propylenglykol mit Hautirritationen reagieren.