L-Carnitin-L-Tartrat fördert menschliches Haarwachstum im Reagenzglas
17. April 2008 - Dr. Daniela Kunte
Die Aminosäure L-Carnitin spielt eine entscheidende Rolle für den Fettsäurestoffwechsel in den Zellen und somit eine wichtige Funktion im Energiemetabolismus. L-Carnitin kommt in allen Tierspezies, einigen Mikroorganismen und höheren Pflanzen vor. Sie ist außerdem ein natürlicher Nahrungsbestandteil, oder kann vom menschlichen Körper mit Hilfe anderer Aminosäuren (Lysin und Methionin) hergestellt werden. Zahlreiche mögliche Anwendungen von L-Carnitin, seinen Salzen und Derivaten wurden bislang experimentell und klinisch untersucht. So zeigte sich ein möglicher Nutzen zum Beispiel bei koronarer Herzerkrankung, peripheren Gefäßerkrankungen, Diabetes und chronischem Nierenversagen.
Ende 2007 wurde von einer Arbeitsgruppe die Hypothese untersucht, dass die Aminosäure L-Carnitin das Haarwachstum stimulieren kann, indem sie die zur Verfügung stehende Energie für den Anagen-Haarfollikel steigert (Haarmatrixproliferation, Haarschaftregeneration und Haarschaftpigmentierung). Untersucht wurde an 180 isolierten menschlichen Kopfhauthaarfollikeln im Anagenhaar VI Stadium vom Hinterkopf fünf verschiedener gesunder männlicher Probanden im Alter zwischen 25-55 Jahren, die im Rahmen einer routinemäßigen Haartransplantation entnommen wurden. Nach entsprechender Aufbereitung wurden die Haarfollikel 9 Tage in L-Carnitin-L-Tartrat (CT) kultiviert. Beobachtet wurde eine durch die L-Carnitin-L-Tartrat-Behandlung dosisabhängige mäßige, aber signifikante (direkte oder indirekte) Haarschaftverlängerung von durchschnittlich 0,28 mm pro Tag auf maximal 0,33 mm pro Tag durch Verlängerung der Anagen VI-Phase, Herunterregulation der Apoptose (programmierter Zelltod) und Förderung der Proliferation (Wachstum) von Haarmatrixzellen.
In dieser Studie konnte zum ersten Mal gezeigt werden, dass L-Carnitin (CT) in vitro (im Reagenzglas) das menschliche Haarwachstum zu steigern vermag. Es ist denkbar, dass sowohl die äußerliche als auch die innerliche Anwendung von CT das menschliche Kopfhaarwachstum fördern könnte, besonders als zusätzliche Behandlung zu etablierten haarwachstumsfördernden Mitteln wie Minoxidil und Finasterid. Der genaue Wirkmechanismus von L-Carnitin-L-Tartrat am Haarfollikel ist jedoch weiterhin nicht vollständig geklärt. Unklar ist insbesondere, warum niedrige Dosen an CT das Wachstum der Zellen stärker stimulieren als hohe Dosen, aber gleichzeitig der Haarfollikel gegenüber der Apoptose (programmierter Zelltod) nicht im gleichen Ausmaß geschützt wird wie bei der hohen Dosis.
Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, dass CT in der unterstützenden Behandlung der androgenetischen Alopezie und anderen Formen des Haarverlustes bei Männern und Frauen hilfreich sein könnte. Da es sich hierbei lediglich um eine Pilotuntersuchung im „Reagenzglas“ handelt, ist eine Anwendung am Menschen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu empfehlen, zumal in der Studie gezeigt wurde, dass hohe Dosen an L-Carnitin das Haarwachtum hemmen können. Ebenso unklar ist momentan die genaue Anwendungsindikation von CT. Hierzu sind weitere Untersuchungen erforderlich.
Quelle: Foitzik K, Hortin E, Förster T, Pertile P, Paus R: L-Carnitine-L-tartrate promotes human hair growth in vitro. Exp Dermatol. 2007; 16 (11): 936-945)
2008 | |
---|---|